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Kollektives Treten

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Ich bin ja schon seit einiger Zeit wieder auf diversen Rollen unterwegs… also nicht nur auf denen der Schiene, sondern auch auf denen des Scooters, aber ebenso immer wieder jetzt auf denen meines Drahtesels. Abgesehen davon, dass ich noch immer unbequemerweise das Rad jeden Tag aus der Wohnung die Stufen rauf und runterschleppe, fahre ich jetzt zeitweise sogar die komplette Strecke in die Arbeit und verzichte auf den Zug dazwischen.

Schmale Einstiege und hohe Treppen bei alten Garnituren machen das Fahrrad-Schlepp-Vergnügen nämlich nicht gerade fröhlicher und um eine Tirade an Flüchen zu unterbinden, trete ich halt gleich die ganze Strecke durchgehend. Dass das zu Lasten der Zeit geht, ist klar, aber langsam gewöhne ich mich sowieso daran, 85% des Tages nicht am heimischen Wohnzimmer-Tisch zu kleben. Heißt nicht, dass ich das wirklich begrüße, aber ändern kann ich es eh nicht zur Zeit. Fahrzeiten von 2 1/2 Stunden täglich sind also normal geworden, aber ich hoffe mal, dass das zumindest und wenigstens ein wenig die Kondition hebt. Oder so.

Blumen

Ich war ja übrigens unlängst mit Stefan am westlichen Stadtrand ein wenig im Grünen und am Berg unterwegs, wie man weiter oben am ersten Bild erkennen kann (er hätte mir vorher sagen können, dass es bergauf gehen wird *keuch*), quasi eine abendliche Abschlussrunde nach getaner Arbeit sowie ein kurzer, kollektiver Blick über Wien… und der Gute inspiriert mich ja immer wieder – denn der kurvt und tritt sowieso alles aus Prinzip und das nicht nur auf einem geschweißten Esel, sondern gleich auf Verschiedenen – je nach Bedarf nämlich. Die Sportlichkeit ist da, die Gesundheit und das Selbstverständliche. Und das will ich mir natürlich – als kleiner, seelenloser Mitläufer – abschauen und auch aneignen.

Radfahren in Wien ist prinzipiell ja, wenn man auf den abgesonderten Radwegen fährt, tatsächlich und fairerweise gesagt ein reines Vergnügen, weil unkompliziert, breit genug und recht flott. Sowohl in den Stadtkern, als auch dort die Runde und auf der anderen Seite wieder raus ist ohne viel Aufwand und mit wenig Schweiß möglich – und punktuell ist man da sogar deutlich flotter und schneller am Ziel, als mit den Autos, die sich da und dort zu großen Kolonen zusammenfinden und dem gegenseigen Hitzschlag opfern.

Blume

Wohlgemerkt: wenn man die Möglichkeit hat, auf den Hauptrouten zu fahren, so wie ich… im reinen Stadtverkehr ist das Radfahren ausnahmslos ein Schwachsinn und außer lebensgefährlich und hinderlich für alle Beteiligten vor allem lebensgefährlich und wirklich hinderlich. In den Seitengassen lauern Autotüren, abbiegende Kastenwagen mit breiter, überstehender Ladefläche und Mopedfahrer, die Radfahrer maximal als Stubenfliege wahrnehmen. Von den Autofahrern selber braucht man gar nicht weiter reden und von den Vollidioten der eigenen Spezies, die sich mit dem Rad in der Mitte der Fahrbahn durchschlängeln, bei Rot drüber brettern oder Abkürzungen über Gehsteige und Kanten nehmen, braucht man erst recht nichts sagen, außer, dass sie brave Radfahrer in das gleiche Eck der Volldeppen mitziehen.

Lange Rede, kurzer Sinn oder Inhalt… eigentlich wollte ich nur schreiben, dass mich gestern abermals eine ältere Dame über 50+ abgehängt hat. Das ist mir schon früher mal und vor ein paar Tagen ebenso frustrierenderweise passiert, aber gestern hat es mich dann wirklich geärgert. Vor allem der Kontrast zwischen uns – ich “sportlich jung” auf einem City-Mountain-Irgendwas-Bike, verschwitzt und Luft holend, schwer konzentriert… und sie auf einem alten, klapprigen Damenrad aus den 60ern mit langem Rock, Sommerbluse darüber und diesem gelangweilten Gesicht, das ungefähr dem entspricht, als würde sie gerade den 34. Sommer in die Residenz am Wörthersee fahren, zur 56. Weinverkostung schauen und am Abend gibt es das alltägliche, übliche Sektgeschlürfe mit dem Freundeskreis aus Hietzing beim Landurlaub. Also fadisiert, gewohnt und gelangweilt.

Bienen

Wir haben uns eine stille Wettfahrt gegönnt und uns abwechselnd die Spitze in der kollektiven Gruppe am Ring geteilt, quer durch die halbe Stadt. Ich mit gefühlten 50 km/h (wie war das mit den Vollidioten weiter oben?) und sie mit ihren 6 km/h und der Sommerbrise in den Haaren, als ob sie gerade frischen Himbeeren am Waldesrand gepflückt hätte und nun entspannt am See entlang fährt und vielleicht noch eine FAZ, Handelszeitung und die BUNTE vom Kiosk beim Campingplatz holt. Warum sie dennoch immer wieder vor mir war und schlussendlich auch noch vor mir abbog, ist mir also ein wenig unbegreiflich und physikalisch fragwürdig.

Aber gut, auch ich werde älter und als lahmer Computermensch… was will man da schon? Übrigens erlebe ich nach Jahren die ersten, richtigen Fahrradstaus bei uns. Will sagen, dass man sich plötzlich mit 20 oder mehr anderen, schwitzenden Einwohnern der heimatlichen Stadt die Ampel und den schmalen Anfahrtsstreifen bei der Kreuzung teilen muss, dicht gedrängt, Schaltung an Schaltung, Reifen an Reifen gelehnt – das war früher irgendwie nicht so extrem. Aber immerhin bleibt da dann auch Zeit, sich seine Mitmenschen mal zur Abwechslung wieder ein wenig näher anzuschauen – spannend.

Die klassische Hausfrau, die jedes Klischee erfüllt, das man aus den billigen Klatsch & Tratsch-Zeitungen kennt, der gediegene Herr, der seine Zigarre raucht und wohl jeden Tag das Hemd stärkt, bis hin zum alternativen, hübschen Sonnenschein, die ihre lange Mähne und Jugendlichkeit im Wind flattern lässt und Richtung Naschmarkt treibt, der sportliche Jungunternehmer mit seinem Extra-X-Mountaincity-Bike mit Doppelrohrgabel-Feder-Aufhängung und dessen Fahrradlicht vermutlich soviel wie mein Rad selber gekostet hat und das kleine dicke Mädchen und der große dicke Herr mit Bierbauch und den engen Trikots der Tour de France 1963 auf ihren Rennrädern, die verbissen ihrem solistischen Weg folgen und alles ausblenden, was um sie passiert. Denn man muss kämpfen, siegen, vorwärts kommen, nochmal 120 Kilometer schaffen, damit man sich irgendwann spürt oder seinen Willen durchgesetzt hat.

Blume

Am liebsten sind mir eigentlich eben die älteren und gemütlichen Zeitgenossen, die auf einem alten Peugeot, Puch oder Basso ihre Lebenslust ausleben, gemütlich mit dem sanften Rrssrrsssrssrrrssrrsstrrr-Klackern der Schaltung um die Innenstadt fahren, dabei keine Hektik haben und sichtbar das Sommerflair und die Kultur zumindest visuell genießen, dabei sich vielleicht einen Bissen Dinkel-Brot an der Ampel gönnen oder sogar auch mal Platz machen, freundlich zunicken oder ein Lied summen und mit geschlossenen Augen die Sonne auf ihrem Gesicht einfangen und die Stille in sich wirken lassen.

So stelle ich mir das vor, deswegen fahre ich heute mal eine Stunde früher weg und genieße einfach. Und werde schauen, dass ich mich speziell in den Windschatten von älteren Damen auf alten, klapprigen Fahrrädern hänge. Pah!


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